Gerechtigkeit und Subjektivität. (Klaus Vieweg)
Klaus Vieweg (Jena)
Eine wesentliche Facette für ein aktuelles Verständnis von Gerechtigkeit liefert die von Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts konzipierte erste Konzeption eines modernen sozialen Staates, einer vernünftig regulierten und sozial gestalteten Marktordnung. Hegel kann so als Begründer der Theorie des Sozialstaates gelten. Die Ausgangspunkte dafür sind die klare theoretische Trennung von bürgerlicher Gesellschaft sowie die Einsicht, daß die für die Entfaltung von Freiheit unverzichtbare Marktstruktur, entgegen dem neoliberalistischen Mythos von der „Selbstheilung“, der Selbstregulation unfähig ist, ja gerade zur Selbstzerstörung tendiert, vgl. dazu die beiden Studien: J. Stiglitz, Freefall: America, Free Markets, and the Sinking of the World Economy (Im freien Fall. Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft), 2010 und N. Roubini/S. Mihm, Crisis Economics (Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft), 2010. Die bürgerliche Gesellschaft als die in ihre Extreme zerrissene Sittlichkeit, als Not- und Verstandesgemeinschaft bedarf wegen ihrer Generierung von Unsicherheit und desaströser Ungleichheit, besonders im Angesicht der heute rasant größer werdenden Kluft zwischen Reich und Arm, einer sozialen Gestaltung und vernünftigen Formierung, was Hegel dezidiert als Recht aller ihrer Mitglieder begreift und was Überlegungen zu einem System sozialer Sorge und Vorsorge verlangt. Hegels Konzeption von Gerechtigkeit, inklusive der ihr inneren Spannung von Gleichheit und Ungleichheit steht so als Plädoyer für eine kapitalistische, aber sozial gestaltete moderne Gesellschaft und damit gegen alle Positionen eines „Marktfundamentalismus“, welcher die Selbstvernichtung der modernen Ordnung befördert.
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